Freitag, 18. März 2016

Blumengeflüster nach Beetgeflüster

Eine Freundin lieh mir ein Buch aus - ein kostbares Kleinod  (sowohl Freundin wie auch ihr Buch) - und ich war sogleich vernarrt in den Stil des Autors, nimmt er doch diesen liebenswerten Innenkontakt mit all seinen Schützlingen auf - spricht mit ihnen, lässt sich von ihnen ansprechen. Genau so, wie auch ich dies oft tue.

Jens F. Meyer - so der Name des Hagophilen (nein, ich habe mich nicht verschrieben - es geht nicht um einen Menschen, der eine salzreiche Umgebung* bevorzugt, wohl aber einen, der gartenverliebt ist) - dieser Herr Meyer nennt sein Buch "Beetgeflüster" (Verlag CW Niemeyer, Hameln 2015). Die Assoziation zu "Bettgeflüster" ließ mich beim ersten Blick auf den Titel auch gleich zum Lästergeniker - hoppala ... Legastheniker mutieren. Als ich dann aber die wahre Absicht des auf dem Titel auf riesigen Gummistiefeln hockenden Gartenliebhabers erkannte, spürte ich bereits eine Art seelischer Nähe, die sich möglicherweise bei Menschen mit grünem Daumen sehr schnell, quasi wie eine Schwingungsbrücke, einstellt. Man versteht sich ... 

Nach einem kurzen Vorwort über BOMBUS, die dicke Hummel, die endlich in sein Gartenhotel eingezogen ist und einem Gedicht über die im Winter nachempfundenen Gefühle einer am Fenster stehenden Zimmerpflanze erzählt der Autor von seinen Gedanken, die ihm sein Geldbaum entwindet. Ob der im Gegenzug die Gedanken hören kann??? Hoffentlich nicht ...

Ah ... Geldbaum!, dachte ich und fragte meine Mitbewohner dieser Gattung, wie es ihnen denn so bei mir gehe und ich war freudig überrascht, so viel Gutes zu erfahren.

Herr Meyer nämlich hat offensichtlich ein sehr gespaltenes Verhältnis zu dem Gewächs, von dem man sagt, es stehe symbolisch für immer genug Geld im Hause. Na dann ... sollte man es doch auch gut pflegen, oder? In dem Punkt komme ich mit Herrn Meyer nicht auf einen Nenner. Er nämlich (Kleinzitat:) "findet nichts Gutes an dem ollen Geldbaum, schleppt ihn im Oktober auch wieder ins Haus, damit er im Winter nicht erfriert". Am Ende nennt er ihn dann doch "einen ziemlich besten Freund".

Nun, auch meine Geldbäume verreisen zum Jahreszeitenwechsel, aber wohl mit anderer Zielsetzung. Nicht, damit sie draußen - als wenig geliebte Wesen - zugrunde gehen, sondern vielmehr, damit sie im Sommer mehr von dem erleben, was ihrer Gattung von Natur aus gut tut: Sonnenschein und Wärme - für die Trockenheit muss ich dann von Fall zu Fall sorgen, sie unter Dach ziehen, wenn der Regen sie zu ertränken droht.

Was nun meine Geldbäume (und beste Freunde) selbst zu sagen habe, mögen die folgenden Bilder erzählen:

Geldbaum neben Gras und einem kleinen dickblättrigen Artverwandten - zudem mit Blick auf ein Aquarell - auch Blumen sollen es doch schön haben (ha ha ... nein, ich selbst empfinde die Kombination von Pflanze und Kunst als Seele nährende Wohnkomponente)

Zitat Meyer: Er will hell stehen, was ich ihm aber aus Platzgründen nicht anbieten kann.
Wie gut es doch meinem Geldbaum geht. Er lässt uns selbst mal durch seine Blattaugen erleben, woher er sein Licht bezieht - wie draußen - von oben!

Noch ein guter Freund von mir - der Geldbaum am Küchenfenster. Der mich nun wieder an Meyers Gedicht "Die Blume am Fenster" denken lässt. Jene "saß gar nicht so ungern hinter Glas" beim Anblick der verschneiten Winterwelt, die sich ihr durchs Fenster darbot. Mein Geldbaum allerdings freut sich schon jetzt auf sein Sommerquartier. Den Grund kann man im Hintergund erkennen ...

... Augenblick mal ... Fokus ändern und durch des Geldbaums Augen "sehen": Krokusse locken mit frühlingsgelbem Zeigefinger: Komm, komm, die Sonne ist schon viel höher gestiegen. Auch die Narzissen flöten schon in ihrem selbstverliebten Tenor: Osternnahtosternnahtnarzissnarzissssssichbinsoschöööööööön!
Ich aber warne ihn: Du siehst es nicht, aber ich weiß den lockenden Ruf zu durchschauen. Zwiebelblumen trotzen den letzten Frostnächten des Winters. Lass dich von ihnen nicht verführen, denn sie sind nicht deinesgleichen.

So genießen beide, der Geldbaum (Crassula ovata) und sein Freund, das Rosettenbäumchen (Aeonium arboreum) so lange miteinander die schöne Aussicht, bis ich als Mensch ihnen beiden grünes Licht für die Aussiedlung gebe. Und während ich ihnen diesen Liebesdienst erweise, stärken sie mir zum Dank meine Rückenmuskeln. Denn was wir mit Liebe tun, tut uns nichts Böses.


*Salz liebende Organismen nennt man halophil